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Maschinenlesbare PR

Sven Winnefeld

Öffnungszeiten, Lebensläufe, Kochrezepte. Es wird immer selbstverständlicher, Informationen im Netz so aufzubereiten, dass sie für Maschinen lesbar sind. Muss die PR nachziehen?

Wenn ein Mensch das Wort „Birne“ hört, dann erschließt er sich aus dem Kontext, worum es geht: um das Obst, um eine Glühlampe oder um den Spitznamen eines christdemokratischen Altkanzlers. Und wenn er eine Webseite liest, dann versteht er im Regelfall, worum sich deren Inhalt dreht. Maschinen, etwa den Crawlern von Suchmaschinen, fallen solche Einordnungen wesentlich schwerer. Sie sehen nur eine lose Ansammlung von Wörtern, Zahlen und Buchstaben. Der „Sinn“ dahinter erschließt sich ihnen nicht ohne Weiteres.

Dieses Problem adressiert Schema.org, eine 2011 gestartete Initiative von Google, Bing, Yahoo und Yandex. Das Ziel: Eine universale Auszeichnungssprache entwickeln, die eine strukturierte Darstellung von Daten ermöglicht. Das soll Maschinen helfen, Inhalte besser zu erfassen und zu verstehen. Aktuell lassen sich bereits mehr als 600 „Dinge“ mit Schema.org beschreiben – zum Beispiel Fahrzeuge, Gemälde, Krankheiten oder Sportveranstaltungen. Und dank fortlaufender Weiterentwicklung und Erweiterung der Sprache werden es immer mehr.

Blick unter die Haube

Wie Schema.org genau funktioniert, veranschaulicht ein kurzes Beispiel. Das untenstehende Pfannkuchen-Rezept ist für Menschen annähernd idiotensicher, Maschinen hingegen wissen in unstrukturierter Form wenig damit anzufangen. Deshalb wird der zugrundeliegende HTML-Code um eine Schema-Auszeichnung erweitert. Die Darstellung für menschliche Leser bleibt gleich, Maschinen erhalten jedoch eine entscheidende Orientierungshilfe. Klicken Sie auf die Buttons, um zwischen den beiden Versionen zu wechseln.

Das „itemtype“-Attribut gibt an, dass es sich um ein Rezept handelt. Dann markieren die „itemprop“-Attribute, wo die einzelnen Elemente des Rezepts auf der Seite zu finden sind – von der Zutatenliste bis zur Zubereitungszeit.

Pfannkuchen-Grundrezept

Arbeitszeit: 5 Minuten | Gesamtzeit: 15 Minuten

Zutaten für 8 Pfannkuchen:

– 150g Mehl
– 250ml Milch
– 2 Eier
– Salz
– Butterschmalz

Zubereitung: Milch mit dem Mehl gut verrühren. Anschließend die Eier sowie eine Prise Salz dazugeben und ebenfalls unterrühren. Den Teig 20 Minuten in einer Schüssel ruhen lassen, dann die Pfannkuchen nacheinander in einer mit Butterschmalz ausgepinselten beschichteten Pfanne bei mittlerer Hitze backen. Pfannkuchen wenden, sobald sich die Unterseite vom Boden lösen lässt.

Weshalb ist das wichtig?

Sprachassistenten wie Siri und Alexa greifen auf strukturierte Daten aus dem Netz zurück, um Fragen ihrer Nutzer zu beantworten. Wer auf diesen Kanälen stattfinden will, muss seine Inhalte entsprechend aufbereiten. Aber auch im Suchmaschinen-Marketing werden strukturierte Daten immer wichtiger. Denn Google und die meisten seiner Wettbewerber beantworten Suchanfragen nicht mehr mit reinen Linklisten, sondern erweitern die Ergebnisse um eine Vielzahl an Informationen.

Wenn man etwa ein Pfannkuchenrezept sucht, bekommt man für jedes Suchergebnis gleich ein Foto, die Zubereitungsdauer und die Kalorienzahl mitgeliefert. Wenn man nach einem Auto sucht, erhält man im sogenannten Knowledge Graph Auskunft über Preis, Motorisierung und Verbrauch. Nutzer werden heute auf den Ergebnisseiten von Google so umfassend informiert, dass sie einer aktuellen Auswertung zufolge nur noch in der Hälfte der Fälle überhaupt auf einen Link klicken. Die restlichen Suchen enden auf der Ergebnisseite.

Damit Google die genannten Informationen (und viele weitere) zuverlässig erfassen und auf der eigenen Plattform abbilden kann, müssen Webmaster sie strukturiert aufbereiten. Je nach Website kann das mit einem immensen Aufwand verbunden sein. Doch Unternehmen, die das Spiel nicht mitspielen, verlieren ihren organischen Suchmaschinen-Traffic. Das Beispiel zeigt: Je stärker Maschinen in der Kommunikation zu Gatekeepern werden, desto wichtiger ist es, eine Sprache zu sprechen, die sie verstehen.

Brauchen wir maschinenlesbare PR?

In der PR verschicken wir nach wie vor Pressemitteilungen per E-Mail an ausgewählte Redakteure aus Fleisch und Blut. Die Redakteure lesen sie dann, prüfen die Inhalte auf Relevanz und verarbeiten sie weiter. Aber was, wenn Verlage früher oder später erkennen, dass sich manche redaktionelle Tätigkeiten automatisieren lassen? Und was, wenn sie diesen Schritt angesichts des steigenden Kostendrucks irgendwann auch gehen? Unsere australischen Kollegen haben das Thema Robo-Journalismus bereits im letzten Jahr in einer Studie untersucht. In Deutschland haben gerade Statista und nextMedia erste Zahlen dazu veröffentlicht.

Schema.org bietet Auszeichnungen für Gesetzestexte, Kurzgeschichten und Satiren. Für Pressemitteilungen gibt es bemerkenswerterweise aber noch keinen Standard. Das Schema NewsArticle kommt dem benötigten Format allerdings sehr nahe – und wird sicherlich weiterentwickelt werden, sobald Bedarf entsteht. Für Produktmeldungen stehen außerdem bereits heute die verschiedenen verfügbaren Schemas für Produkte und einzelne Produktkategorien zur Verfügung. Über sie ließe sich sicherstellen, dass auch Maschinen die neuesten Produktfeatures auf Anhieb verstehen.

Zwar mag maschinenlesbare PR aktuell noch Zukunftsmusik sein. Doch wir sollten aufpassen, dass wir die Entwicklungen in anderen Bereichen des Marketings nicht aus den Augen verlieren. Denn letztlich gilt auch für uns: Wer versäumt, seine Inhalte für Maschinen lesbar zu machen, der läuft Gefahr, von ihnen ignoriert zu werden.